Es ist eben nicht nur ein Spruch
Was können Betriebsräte gegen diskriminierende, ausländer- oder fremdenfeindliche Äußerungen im Betrieb tun? Müssen sie alles dulden? Und wie gehen sie am besten dagegen vor, wenn regelrecht gehetzt wird? Bernd Kupilas erläutert.
Betriebsverfassungsgesetz
Gemäß Paragraf 80, Ziffer 7 haben Betriebsräte die Aufgabe, „die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen.“
Grundgesetz
Artikel 5, Absatz 1 garantiert das Recht, „seine Meinung in Wort, Schrift und Bild“ zu äußern und zu verbreiten. Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind in Absatz 2 beschrieben.
Strafgesetzbuch
Paragraf 130
Betriebsverfassungsgesetz
Paragraf 104 nennt ausdrücklich „rassistische oder fremdenfeindliche Betätigungen“, durch die der Betriebsfrieden gestört wird.
Betriebsverfassungsgesetz
Paragraf 99, Absatz 2, Ziffer 6 nennt ausdrücklich „rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung“.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Paragraf 13 regelt das Beschwerderecht.
Betriebsverfassungsgesetz
Freiwillige Betriebsvereinbarungen zum Problemfeld Rassismus sind gemäß Paragraf 88, Ziffer 4 möglich.
Betrieblich Aktive kennen solche Aussagen: Es war doch nur ein Spruch. Sollte ein Scherz sein. Man muss ja nicht gleich jedes Wort auf die Goldwaage legen. Außerdem: Man wird doch noch seine Meinung sagen dürfen!
Wenn sich ein Rechtsaußen-Sprücheklopfer ertappt fühlt, hat er solche Ausreden gerne parat. Herabwürdigende oder diskriminierende Bemerkungen gegen Ausländer, Fremde, Minderheiten sind Alltag, auch im Betrieb. Leider nehmen sie angesichts des politischen Rechtsrucks der Gesellschaft eher zu. Sie vergiften das Betriebsklima, kränken die betroffenen Kolleginnen und Kollegen – und sind eben nicht harmlos. Bisweilen sind sie sogar strafbar. Manchmal wird regelrecht gehetzt.
Was können Betriebsräte gegen diese bedenkliche Entwicklung tun? Klar ist: „Betriebsräte müssen rassistische Hetze im Betrieb nicht dulden“, sagt Jan Grüneberg, Leiter der Abteilung Mitbestimmung der IGBCE in Hannover, „im Gegenteil: Sie haben schon per Gesetz die Aufgabe, die Integration im Betrieb zu fördern“. So steht es in Paragraf 80 des Betriebsverfassungsgesetzes. 1 Mit Verweis auf diesen Paragrafen können die Betriebsräte aktiv werden und zum Beispiel den Arbeitgeber auffordern zu handeln, wenn im Betrieb Stimmung gegen Minderheiten gemacht wird.
Wo fängt die Hetze an?
Allerdings stellt sich juristisch betrachtet zunächst die Frage: Wo fängt die Hetze an? Und was ist noch durch die freie Rede gedeckt? Freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut und durch das Grundgesetz geschützt, auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich auf sie berufen. 2 Die freie Rede hat aber auch Grenzen, nämlich da, wo Gesetze verletzt werden, etwa indem man jemanden beleidigt oder falsche Tatsachen über jemanden verbreitet. In Sachen rechtsradikaler Sprüche greift unter Umständen der Straftatbestand der Volksverhetzung. 3 Sie liegt dann vor, wenn zum Beispiel gegen ganze Gruppen von Menschen zu Gewalt aufgerufen wird oder Menschen einer Gruppe „beschimpft, böswillig verächtlich [...] oder verleumdet“ werden.
Die Palette der Äußerungen vom rechten Rand ist breit, sagt IGBCE-Fachmann Jan Grüneberg. Wenn etwa ein Beschäftigter den Hitlergruß zeigt, „dann ist der Fall klar“. Solches Verhalten ist strafbar – und kann auch vom Arbeitgeber schnell geahndet werden. Gerade extremistische Äußerungen oder Gesten dieser Art, die die Unbedarften unter den Rassisten mittlerweile völlig ungeniert über die sozialen Medien in die Welt spülen, enden immer wieder mal mit einer fristlosen Kündigung. Wenn hingegen jemand im Pausenraum sagt, dass ihm zu viele Ausländer im Land sind, „dann muss einem diese Meinung nicht gefallen, sie ist aber durch die Meinungsfreiheit gedeckt“, erläutert Grüneberg. Das Problem ist: Die offensichtlichen Fälle sind selten. „Der Normalfall im Betrieb liegt irgendwo zwischen diesen beiden Polen von Meinungsfreiheit einerseits und Volksverhetzung andererseits“, sagt Jan Grüneberg. Das macht es für Betriebsräte schwierig.
Entlassung – das schärfste Schwert
Offene Hetze jedenfalls gefährdet den Betriebsfrieden. Wo das der Fall ist, kann der Betriebsrat dann gemäß Paragraf 104 des Betriebsverfassungsgesetzes den Arbeitgeber auffordern, den Täter zu entlassen oder zu versetzen. 4 „Der Paragraf 104 ist das schärfste Schwert, wird aber nur selten gezogen“, betont Grüneberg. An die Rechtmäßigkeit einer Kündigung legen auch die Gerichte hohe Ansprüche. Außerdem können Betriebsräte zum Beispiel einer Versetzung widersprechen, etwa wenn die betreffende Person durch rechtsradikale Parolen aufgefallen ist und in der neuen Umgebung den Betriebsfrieden stört. Das ist in Paragraf 99 des Betriebsverfassungsgesetzes festgeschrieben. 5
Kann also der Betriebsrat die Einstellung eines Rechtsradikalen verhindern? In der juristischen Literatur heißt es dazu: Die Mitgliedschaft in einer rechtsgerichteten Partei allein wird nicht reichen. Wenn der Bewerber aber zum Beispiel ein stadtbekannter Neonazi ist, von dem man weiß, dass er Schlägereien angezettelt und Menschen angegriffen oder diese beschimpft hat, dann besteht die Gefahr, dass er sich auch den Kolleginnen und Kollegen im Betrieb gegenüber so verhalten wird – und dann kann der Betriebsrat der Einstellung mit gutem Grund widersprechen.
Solche Fälle kommen allerdings selten vor. Die Regel sind aber eher kleine bis große Gehässigkeiten oder Alltagsrassismus. Um dagegen anzukommen, braucht es eine Strategie. Mit rassistischen und ähnlichen Äußerungen sei es ein wenig wie mit Mobbing, sagt Jurist Grüneberg – ähnlich heikel, ähnlich kompliziert zu ahnden. Wie beim Mobbing sollte man auch bei Rassismus die Vorkommnisse dokumentieren. Den wirklich schweren Fällen kann man nur Einhalt gebieten, wenn man sie eines Tages belegen kann.
Deshalb ist es auch wichtig, dass sich der Betriebsrat als Anlaufstelle für mögliche Beschwerden von Kolleginnen und Kollegen über rechtsradikale oder hetzerische Parolen oder Verhaltensweisen versteht – und zugleich dafür sorgt, dass auch der Arbeitgeber solche Beschwerden annimmt und sich um sie kümmert. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sieht ohnehin vor, dass Arbeitgeber eine Möglichkeit schaffen müssen, wie sich Beschäftigte über die mögliche Diskriminierung im Betrieb beschweren können. 6 Der Betriebsrat hat Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Frage, wie diese Beschwerdemöglichkeit ausgestaltet ist (wer also zum Beispiel die Beschwerde annimmt und wie weiter verfahren wird).
Es braucht Fingerspitzengefühl
Grüneberg warnt aber davor, sich zu viel vom Paragrafenwerk zu versprechen – zumal man es auch übertreiben kann. „Es braucht da auch Fingerspitzengefühl“, sagt er. In breiten Teilen der Öffentlichkeit grassiere ohnehin das Gefühl, man könne nicht mehr alles sagen. „Dieses Unbehagen sollten wir nicht befeuern.“ Und zugleich sollten Betriebsräte klar machen, dass sie ihren Auftrag ernst nehmen – nämlich Integration zu fördern und Diskriminierung zu bekämpfen. Und das natürlich in alle Richtungen, denn auch Menschen mit Migrationshintergrund können rassistische oder antisemitische Sprüche von sich geben, etwa im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt oder im Zusammenhang mit ethnischen Konflikten zum Beispiel zwischen Kurden und Türken.
Den Kulturwandel einleiten
Es gehe darum, einen Kulturwandel im Unternehmen herbeizuführen – und der negativen Stimmung ein positives Bild entgegenzusetzen. „Es reicht nicht zu sagen, wogegen man ist, gegen die AfD zum Beispiel“, sagt Grüneberg, „sondern wofür man ist – für ein Miteinander, für respektvollen Umgang miteinander.“ Dabei ist es wichtig, dass die Betriebsräte ihre Kompetenzen auch nicht überschreiten. Sobald Beschäftigte strafbar handeln, ist es wichtig, die Polizei einzuschalten und die Ermittlungen den zuständigen Behörden zu überlassen. Für den richtigen Umgang mit diesem sehr schwierigen Thema ist es umso wichtiger, einen Plan zu haben und diesen im Betriebsrat abzustimmen.
Teil einer Strategie hin zu einem solchen Kulturwandel sollte es sein, den Arbeitgeber mit ins Boot zu holen. Paragraf 75 des Betriebsverfassungsgesetzes gibt dem Betriebsrat die Möglichkeit, hier in die Offensive zu gehen. Warum nicht den Arbeitgeber mal auf einer Betriebsversammlung erzählen lassen, was es für den Betrieb bedeuten würde, wenn es plötzlich keine Menschen mit Migrationsbiografie mehr gäbe? Oder man nutzt die Internationalen Wochen gegen Rassismus vom 17. bis 30. März, um im Betrieb Haltung zu zeigen.
Sitzt der Arbeitgeber mit im Boot, kann man auch eine freiwillige Betriebsvereinbarung schließen, etwa zu „Antidiskriminierung, Förderung der Vielfalt und partnerschaftlichem Verhalten am Arbeitsplatz“. 7 Eine Muster-Betriebsvereinbarung mit diesem Titel hat die IGBCE jetzt entwickelt. Sie ist bei der Abteilung Frauen/Diversity erhältlich.