Die Vielleserin
Katja Marx hat ein Faible für ehrenamtliches Engagement und spannende Unterhaltung.
Wenn die Delegierten im Oktober 2025 auf dem 8. Ordentlichen Gewerkschaftskongress der IGBCE über Hunderte Anträge beraten und abstimmen, wird Katja Marx zwischendurch womöglich ein wenig mit ihren Gedanken abschweifen – und an lange Sitzungen und Diskussionen bis in den späten Abend, müde Augen und überdosierten Koffeinkonsum denken. Denn zahlreiche Anträge wird sie in- und auswendig kennen. Als Mitglied der Antragsberatungskommission des IGBCE-Landesbezirks Rheinland-Pfalz/Saarland wird sie sämtliche Anträge, die aus ihrem Landesbezirk gestellt werden, bereits im Vorfeld gründlich gelesen, korrigiert, vergleichbare Anträge zusammengefasst und ihnen gegebenenfalls auch den notwendigen grammatikalischen Feinschliff verpasst haben.
„Die Abende, an denen sich unsere Antragsberatungskommission trifft, werden meist lang, sehr lang“, sagt Katja Marx. „Vor dem letzten Gewerkschaftskongress 2021 haben wir rund 140 Anträge intensiv durchgearbeitet.“ Thematisch decken die Anträge eine große Bandbreite ab: von der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie über mehr Frauen in Führungspositionen, einer verstärkten Präsenz gegen Rechtspopulismus, Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen bis zu Investitionsoffensiven für eine klimagerechte Industrie. Die Antragsberatungskommission des Landesbezirks Rheinland-Pfalz/Saarland setzt sich aus Mitgliedern der vier IGBCE-Bezirke Mittelrhein, Mainz, Ludwigshafen und Saarbrücken zusammen. „Damit uns die Augen nicht zufallen, brauchen wir während unserer Treffen schon den einen oder anderen Liter Kaffee“, erzählt Marx, die den IGBCE-Bezirk Mittelrhein vertritt.
Dem Gewerkschaftskongress 2025 sieht sie gespannt entgegen, denn die Herausforderungen „nehmen zu“. Marx ist dennoch zuversichtlich: Die Delegierten werden bei diesem Treffen die notwendigen Weichen stellen, damit die IGBCE in den kommenden Jahren weiterhin als durchsetzungsstarke Organisation agieren kann. „Tarifpolitik bleibt für uns auch in Zeiten der Transformation das zentrale Mittel, um die Arbeitsbedingungen unserer Mitglieder zu sichern und zu verbessern“, sagt Katja Marx. „Wir müssen jedoch künftig noch mehr Einfluss auf die Politik nehmen, damit Deutschland ein guter Standort für die Chemieindustrie bleibt.“
Es war mir schon immer wichtig mich für meine Mitmenschen einzusetzen.
Katja Marx
Alle vier Jahre Hunderte Seiten Anträge zu lesen, ist für die überzeugte IGBCElerin Katja Marx lediglich eine temporäre Zusatzaufgabe. „Wenn man sich als ehrenamtliche Gewerkschafterin aktiv für seine Kolleginnen und Kollegen engagiert, häufen sich die Aufgaben im Laufe der Zeit fast zwangsläufig“, sagt sie. Sich für ihre „Mitmenschen einzusetzen“, war ihr „schon immer wichtig“. Bereits zu ihrer Schulzeit war sie über viele Jahre Klassensprecherin. Heute ist die mittlerweile 61-Jährige Vorsitzende des Frauenausschusses und stellvertretende Vorsitzende des IGBCE-Bezirksvorstands Mittelrhein, Mitglied des ehrenamtlichen Hauptvorstands der IGBCE, Mitglied in der Bundestarifkommission Chemie und stellvertretende Vorsitzende des DGB-Kreisverbands Rhein-Lahn. Außerdem engagiert sie sich als ehrenamtliche Richterin am Landessozialgericht in Mainz.
Neben ihren Ehrenämtern ist Katja Marx auch noch 37,5 Stunden in der Woche berufstätig. Nach ihrem Schulabschluss begann sie 1978 bei Zschimmer & Schwarz in Lahnstein ihre Ausbildung zur Chemielaborantin. Schon bald engagierte sie sich als Jugendvertreterin und Betriebsrätin. Seit 2006 ist sie Betriebsratsvorsitzende – und als solche freigestellt. Betriebliche und gewerkschaftliche Belange unter einen Hut zu bekommen, erfordere ein gewisses Organisationstalent, berichtet Marx. Termine am Wochenende sind deshalb keine Seltenheit für sie.
Ein privater Termin in der Woche ist ihr seit einigen Jahren jedoch heilig: der Mittwochnachmittag. Dann holt sie ihre Enkelin vom Kindergarten ab und verbringt mit ihr den zweiten Teil des Tages. „Das erdet ungemein“, sagt Katja Marx.
Wenn sie Freizeit hat, geht sie gern spazieren oder macht Nordic Walking. Und während der Heimfahrt – ihr Weg von der Arbeit nach Hause ist rund 30 Kilometer lang – sowie vor dem Einschlafen frönt sie ihrer „absoluten Leidenschaft“: Krimis – in Form von Hörbüchern. „Auch wenn manche Anträge noch so spannend sind, mit ins Bett nehme ich sie nicht“, so Marx. „Dort bekommen meine Krimis immer den Vorzug.“