Praxis

Juni | Juli 2024

Ein Mittagessen für deine Stimme

Im Herbst stehen Wahlen der Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) an. So wie alle zwei Jahre. Also alles Routine? Nicht ganz! Für viele Beteiligten sind sie die ersten JAV-Wahlen unter normalen Umständen, die vergangenen beiden fanden unter den Spielregeln der Coronapandemie statt. Was ist zu beachten, damit bei der Wahl alles reibungslos läuft? Kathryn Kortmann hat sich in zwei Betrieben umgehört.

Verabschiedet sich nach vier Amtszeiten aus der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei Bayer in Leverkusen: Luca Schneider. Ihm ist wichtig, dass die JAV auch zukünftig schlagkräftig aufgestellt ist.

Foto: Matthias Jung

Luca Schneider kennt sich aus mit JAV-Arbeit und -Wahlen. Viermal hat er kandidiert, vier Amtszeiten hat der Chemielaborant von Bayer in Leverkusen auf dem Buckel, war in der Konzern-JAV aktiv, hat derzeit den Vorsitz in der JAV am Standort und in der Gesamt-JAV inne. Der 26-Jährige ist so etwas wie der Dino unter den Jugend- und Auszubildendenvertretern, nicht nur bei Bayer, sondern „wohl auch betriebs- und branchenübergreifend bundesweit“, sagt er und ergänzt: „Nach acht Jahren ist jetzt aber endgültig Schluss.“ Luca hat die Altersgrenze erreicht und darf deshalb nicht noch mal zur Wahl antreten. Während Auszubildende, egal wie alt sie sind, wählen und gewählt werden dürfen, können jugendliche Beschäftigte ab dem 18. Lebensjahr zwar nicht mehr selber wählen, sind aber bis zu ihrem vollendeten 25. Lebensjahr noch wählbar. Danach ist für sie definitiv Schluss. „Und das ist gut so“, erklärt Schneider, „denn die betrieblichen Themen, die einen mit abgeschlossener Ausbildung und ab Mitte 20 beschäftigen, kreisen dann doch weniger um die Ausbildung. Das sollten die beackern, die mittendrin sind.“

Ganz loslassen kann Luca Schneider aber nicht. Noch nicht. Ihm ist wichtig, dass die JAV-Arbeit bei Bayer auch künftig in guten Händen liegt. „Die Weichen dafür werden im Vorfeld der Wahl gestellt“, erklärt er. Ein erster Schritt ist die Bestellung eines Wahlvorstands durch den Betriebsrat. Bei Bayer finden die Wahlen zwar erst im November statt, der dreiköpfige Wahlvorstand, dem Luca angehört, ist aber schon bestellt und hat seine Arbeit auch schon aufgenommen. Aus gutem Grund. „Der Umfang der Arbeit ist nicht zu unterschätzen“, sagt der (Noch-)Jugendvertreter von Bayer.

Im November wird gewählt, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Luca Schneider mit seiner JAV-Kollegin Laura Papa.

Foto: Matthias Jung

„Wir sprechen jene an, die schon mal aufgefallen sind"

Der Wahlvorstand ist von der Vorbereitung über die Durchführung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses gefordert. Er ist für die Erstellung der Wählerliste zuständig, muss Wahlvorschläge einholen, Wahllokale und in vielen Betrieben auch die Möglichkeit von Briefwahlen organisieren und wissen, welche Fristen für welche Schritte gelten. Nicht wenige Wahlvorstände nutzen deshalb die Möglichkeit einer kompakten Schulung, mit der die IGBCE ihre Mitglieder unterstützt.

Damit die Mitbestimmung der jungen Kolleginnen und Kollegen bei Bayer am Standort Leverkusen auch weiterhin schlagkräftig aufgestellt ist, hat die Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten bereits begonnen. Vier „alte Hasen“ scheiden aus der 9er-JAV definitiv aus, fünf JAV-Mitglieder stellen sich Wiederwahl. „Unser Ziel ist es, dass mehr als 20 Auszubildende, Dualis und junge Beschäftigte auf der Wahlliste stehen“, erklärt Luca Schneider. Die JAV soll die Vielfalt des Betriebs abbilden. Für das Recruiting „sprechen wir die gezielt an, die uns bei Aktionen oder unseren Versammlungen für die Jugend- und Auszubildenden aufgefallen sind“, sagt Schneider, „weil sie unsere gewerkschaftlichen Werte vertreten und keine Scheu haben, vor anderen zu reden.“ Oft sind auch unter den Jugendvertrauensleuten geeignete Kolleginnen und Kollegen, die mit einer Kandidatur die nächste Stufe der gewerkschaftlichen Leiter erklimmen.

Damit alle wissen, wer kandidiert, gibt es bei Bayer Instagram-Posts und einen Flyer mit Kurzporträts der Kandidierenden. Persönlich stellen die sich den Wählerinnen und Wählern dann auch am ersten der beiden Wahltage noch während einer Jugend-und Auszubildendenversammlung vor. Direkt im Anschluss können alle Teilnehmenden der Versammlung wählen. Wer diese Möglichkeit nicht nutzt, kann in einem der anderen Wahllokale am Standort die Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen oder im Vorfeld seine Stimme per Briefwahl abgeben. „So stellen wir sicher, dass wirklich alle – auch unsere Dualis während ihrer betrieblichen Auslandseinsätze – wählen können“, sagt Luca Schneider. „Eine hohe Wahlbeteiligung ist wichtig für die spätere Durchsetzungsfähigkeit der JAV.“

Das sieht auch Alexander Kerwel so. Bei Wacker Chemie im sächsischen Nünchritz haben sich die JAV-Aktiven neben vielen guten Argumenten für die Wahl deshalb noch ein zusätzliches Lockmittel als Wahlmotivation einfallen lassen. „Alle, die wählen, bekommen einen Gutschein für ein kostenloses Mittagessen in der Kantine“, erzählt Alexander Kerwel. „Das zieht.“ Der 22-Jährige gehört der JAV seit zwei Amtszeiten an und ist seit zweieinhalb Jahren deren Vorsitzender. Er kandidiert noch einmal, auch um die neuen JAVis einzuarbeiten, denn vier der fünf JAV-Mitglieder scheiden aus. Damit kein Wissen verlorengeht, ist ein gutes Übergabemanagement wichtig. Neben personellen Kontinuitäten „achten wir darauf, unsere Arbeit gut zu protokollieren und wiederauffindbar abzulegen“, so Kerwel.

Eine hohe Wahlbeteiligung ist wichtig für die spätere Durchsetzungsfähigkeit der JAV.

Luca Schneider

Übergabemanagement sorgt für Kontinuität

Weil der personelle Wechsel in Nünchritz groß ist, liegt ein Großteil der Wahlvorbereitung im Casting der künftigen JAV-Mitglieder. „Azubis, die bei vielen unserer Veranstaltungen dabei sind, sprechen wir an“, sagt Alexander Kerwel. „Das ist meist ein sicheres Indiz dafür, dass sie aktiv mitgestalten wollen und auch bereit sind, voranzugehen und Zeit zu investieren.“ Von allein macht sich die JAV-Arbeit nämlich nicht. „Ohne eine Portion Hartnäckigkeit bewegt sich nichts“, sagt Kerwel. „Das sagen wir beim Casting ganz offen und ehrlich, damit alle wissen, worauf sie sich gegebenenfalls einlassen.“

Auch bei Wacker Chemie findet die Wahl erst im November statt. „Dann bleibt genügend Zeit, um auch die Neuen gleich mit ins Boot zu holen“, erklärt Alexander Kerwel. Die JAV nutzt die Begrüßungsrunden zum Start ins neue Ausbildungsjahr, damit auch die neuen Auszubildenden wissen, wie wichtig eine gut aufgestellte JAV ist und welche Bedeutung eine gute Wahlbeteiligung hat.

Während in der Coronazeit nur Briefwahl möglich war, gibt es 2024 Wacker Chemie auch wieder ein Wahllokal im Betrieb. Die Stimmabgabe per Briefwahl ist aber weiterhin möglich, um auch jenen Auszubildenden die Teilnahme zu ermöglichen, die am Wahltag zum Beispiel in den weit entfernten Berufsschulen und nicht im Betrieb sind. „Für Briefwahlen gelten andere Fristen. Und außerdem sind sie mit mehr Arbeit verbunden“, sagt Alexander Kerwel, „aber der Aufwand lohnt sich.“