„Wir brennen für das, was wir tun“
Zur Person:
Denise Staffa
(31, links) ist für die IGBCE in vielen Gremien aktiv, zum Beispiel als Vertrauensfrau oder Vorsitzende des Bezirksfrauenausschusses.
Miriam Hermann
(30) hat 2013 bei Evonik in Hanau angefangen und sich seither auch mit Leib und Seele der Gewerkschaftsarbeit verschrieben.
Sie sind jung, engagiert und haben ein Herz für Gewerkschaftsarbeit. Im Interview mit Andreas Schulte erzählen die Evonik-Vertrauensfrauen Denise Staffa und Miriam Hermann, was sie an ihrem Ehrenamt so begeistert.
Denise, Miriam, ihr beide bekleidet gleich mehrere Ämter. Könnt ihr eure Aufgaben zur besseren Orientierung kurz einordnen?
Denise: Ich habe bei Evonik im Jahr 2009 meine Ausbildung angefangen und bin darüber mit der IGBCE in Kontakt gekommen. Mittlerweile bin ich seit 2016 Vertrauensfrau im Betrieb und seit 2020 im Vertrauenskörpervorstand. Außerhalb der Firma bin ich bei der IGBCE Vorsitzende des Bezirksfrauenausschusses und Mitglied im Bezirksvorstand. Hier beschäftigen wir uns im Schwerpunkt mit Frauenthemen, die aber auch im Vertrauenskörper immer mitschwingen.
Miriam: Ich habe 2013 meine kaufmännische Ausbildung bei Evonik angefangen und arbeite heute im Schulungsmanagement. 2014 wurde ich in die Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt. Heute bin ich Betriebsrätin und im Vertrauenskörpervorstand für die Schriftführung zuständig. Außerhalb der Firma bin ich mit Denise im Bezirksfrauenausschuss und von dort aus in den Landes- sowie Bundesfrauenausschuss entsandt. Stellvertretend bin ich Mitglied in der Tarifkommission.
Das klingt alles nach sehr viel Arbeit. Wie viele Stunden seid ihr in der Woche beschäftigt?
Denise: Das schwankt natürlich, aber so fünf bis zehn Stunden Ehrenamt dürften es schon sein. Gerade ist es besonders herausfordernd, da ist es schon mal mehr. Es stehen schon bald die neuen Wahlen für die Vertrauensleute an. Außerdem endet der alte Tarifvertrag am 30. Juni. Und ohnehin ist das noch nicht alles: Ich mache in der Abendschule eine Fortbildung zur Betriebswirtin, Miriam macht nebenberuflich ein MBA-Studium.
Miriam: Klar ist: Dies alles wäre ohne Unterstützung des Arbeitgebers gar nicht möglich. Unsere Arbeit wird hier sehr wertgeschätzt. Es guckt keiner doof, wenn man ganz offensichtlich Gewerkschaftsarbeit macht, natürlich außerhalb der Arbeitszeit. Aber es gibt auch Chemiebetriebe, wo man zum Beispiel aufgefordert wird, ein anderes T-Shirt zu tragen als das mit der Aufschrift IGBCE.
Ich will die Welt besser verlassen, als ich sie vorgefunden habe.
Miriam Hermann
Euer Arbeitsaufwand entspricht vom Volumen her eher dem eines Managers. Was treibt euch an?
Denise: Arbeit, Studium und Ehrenamt auf einmal … da gehört ein gutes Stück Idealismus dazu. Ich würde es so ausdrücken: Ich will die Welt besser verlassen, als ich sie vorgefunden habe. Wir müssen einfach gesellschaftlich vorankommen. Es gibt so viele Felder, auf denen das möglich ist: Wir haben dieses Jahr die Europawahl, Vertrauensleutewahl, die Chemie-Tarifrunde.
Miriam: Bei mir ist es auch eine intrinsische Motivation. Ich habe in der Jugendarbeit angefangen und konnte mein Engagement bis heute immer wieder einbringen. Für den Bezirksfrauenausschuss hat mich allerdings erst Denise begeistert. Sie hat mich mal mitgenommen, und es hat mir gefallen. Also bin ich geblieben.
Was hat euch dazu bewogen, euch für die Belange von Frauen einzusetzen?
Denise: Da gibt es bei mir nicht das eine Ereignis. Ich bin als Frau nie schlecht behandelt worden – oder besser, nicht schlechter behandelt worden als jede andere Frau. Das ist ein Themengebiet, auf dem es noch viel zu verbessern gibt. Zum Beispiel bei den Karrierechancen von Frauen. Vor allem der Erhalt der Errungenschaften in der Gleichberechtigung ist heutzutage wichtiger denn je.
Miriam: Wir finden uns da einfach wieder bei unserem Einsatz für Frauen. Nicht jede hat die Kapazitäten oder den Mut zu kämpfen. Nicht jede kann immer wieder diskutieren. Wir können unterstützen.
Könnt ihr ein Beispiel für euren Einsatz für Frauen nennen?
Miriam: Wir haben ein digitales Frühstück für Frauen im Bezirk etabliert. Wir sprechen dort über mentale Belastung und über das Zeitmanagement von Frauen. Wir helfen ihnen, sich besser zu organisieren und wir sprechen über die Rente. Der Mann ist keine Altersvorsorge. Das müssen wir ständig wiederholen. Acht dieser Frühstücke haben wir seit 2021 bereits veranstaltet. Jedes Mal haben rund 35 Frauen teilgenommen.
Denise: Ein anderes Beispiel: Ich war im Podcast von Radio Mittelhessen zu Gast. Auch da ging es gemeinsam mit der Kollegin Franziska Kalter aus dem Frauenausschuss darum, wie mehr Chancengerechtigkeit herrschen kann und was der Bezirksfrauenausschuss überhaupt so macht.
Welche Rolle spielt Teamarbeit für euch?
Denise: Also wir, Miriam und ich, ergänzen uns von unseren Fähigkeiten her eh gut. Miriam ist zum Beispiel eine Top-Moderatorin und kann super Powerpoint.
Miriam: Oh, danke! Aber ja, es hilft, dass wir zuerst Freundinnen waren und dann erst Kolleginnen. Wir nehmen uns nichts übel, auch wenn mal was schiefgeht. Wir können alles offen ansprechen. Beleidigungen oder so etwas gibt es nicht. Diese Vorgehensweise versuchen wir auf alle im Team zu übertragen. Denn auch insgesamt ist Teamarbeit natürlich enorm wichtig. Nur damit lässt sich die Arbeit auch in andere Betriebe und über den Bezirk hinaus übertragen – das ist immer unser Ziel. Und da kann jede Person helfen, selbst wenn er oder sie nur einen Flyer verteilt. Aber letztlich muss man sagen: Alle haben Bock, jeder will was reißen. Wir brennen für das, was wir tun.
Jeder kann etwas bewegen,
jeder kann sich beteiligen.
Denise Staffa
Nun stehen bald die Wahlen der Vertrauensleute an. Warum sind die wichtig?
Denise: Sie sind über den Betrieb hinaus wichtig für die Demokratie. Vertrauensleute sind die Basis der Gewerkschaft. Die Wahlen sind also der erste Schritt eines grunddemokratischen Prozesses. Deshalb würde ich hier gleich einen Aufruf starten wollen an jede und jeden, die dies hier lesen und es vielleicht sogar ein klein wenig cool finden: Geht in eure Betriebe, fragt nach, wer diese Vertrauensleute sind, macht einfach mit, werdet Vertrauensperson. Jeder kann etwas bewegen, jeder kann sich beteiligen. Auch du.
Wie definiert ihr eure Aufgabe als Vertrauensfrauen bei Evonik?
Miriam: Wir informieren über die Themen der IGBCE, wir überzeugen Nichtmitglieder für die Gewerkschaft und planen und unterstützen Aktionen im Betrieb, etwa bei Tarifrunden: Da hatten wir bereits einen Eisstand für Mitglieder oder ein Aktionsfrühstück in der Kantine. Aber natürlich gehört auch ganz klassisch das Verteilen von Flyern am Drehkreuz zu den Aufgaben. Grundsätzlich gilt es, da zu sein, wo man gebraucht wird.
Wie geht ihr bei der Wahlvorbereitung vor?
Miriam: Wir nicht im Wahlvorstand sind. Wir begleiten stattdessen im Vertrauenskörpervorstand die Tarifrunde. Aber die Mobilisierung ist wichtig. Da müssen wir kräftig trommeln und allen klarmachen, dass sie die richtigen für so einen Job sein können. Nicht alle werden nach nun vier Jahren wieder kandidieren wollen. Neue Leute müssen sich aufstellen lassen. Da müssen wir ins Gespräch gehen.
Ihr tretet aber wieder an?
Beide: Welche Frage! Na klar!
Die Vertrauensleutewahlen finden bundesweit vom 1. März bis zum 30. Juni statt. Informationen und Material dazu: vertrauensleutewahl.de