„Fragt mal euren Opa“
Holger Gosch (58) war Bergmann und lebt Gewerkschaft – auch als Vorruheständler.
„Wir waren wie eine große Familie, jeder kannte jeden."
Erst den Mitgliedsantrag unterschreiben, dann den Lehrvertrag. „So hat man damals Werbung für die Gewerkschaft gemacht.“ Mit „damals“ meint Holger Gosch 1982. In diesem Jahr fing er seine bergmännische Ausbildung im Steinkohlebergwerk Lohberg an. Gosch trat der Gewerkschaft seinerzeit nicht nur bei, sondern wurde schon bald darauf auch gewerkschaftlich aktiv. Sehr aktiv. Bis heute.
Zurück zum Anfang: Nach Beendigung seiner Ausbildung 1984 arbeitete Holger Gosch zehn Jahre unter Tage im Streb, als Fahrer einer Kohlegewinnungsmaschine. 1994 wählten ihn seine Kolleginnen und Kollegen in den Betriebsrat. Für diese Tätigkeit wurde er freigestellt. Nach Schließung des Bergwerks Lohberg Ende 2005 arbeitete Gosch zehn weitere Jahre bis 2015 in der Sicherheitsabteilung des Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop. Seitdem ist der heute 58-Jährige im Vorruhestand, wie viele ehemalige Bergarbeiter im Ruhrgebiet – sozial gut abgesichert, dank der IGBCE.
„Ich habe damals sehr ungern aufgehört zu arbeiten“, betont Holger Gosch. Es habe ihm „sehr weh getan, diesen Schritt gehen zu müssen“, sagt er. „Wir Bergleute waren wie eine große Familie, jeder kannte jeden. Dank unseres gemeinsamen gewerkschaftlichen Engagements können wir diesen Zusammenhalt über unser Arbeitsleben hinaus ein Stück weit erhalten.“
Bereits seit 1986 ist Holger Gosch in der IGBCE-Ortsgruppe Lohberg-Hünxe aktiv dabei, seit 1996 deren Vorsitzender. Die meisten der annähernd 700 Mitglieder sind ehemalige Bergleute, etwa ein Drittel ist in der Chemieindustrie beschäftigt. Die Mitglieder seiner Ortsgruppe treffen sich einmal im Monat zur gemeinsamen Fahrradtour, sie organisieren politische Podiumsdiskussionen, Feiern und Jubilarehrungen.
Ich habe damals sehr ungern aufgehört zu arbeiten
Holger Gosch
„Die IGBCE hat in den vergangenen Jahrzehnten viel für uns getan und erreicht“, sagt Holger Gosch. Dafür ist er seiner Gewerkschaft sehr dankbar und bleibt ihr „für immer treu“. Aber nicht nur deshalb. Denn Rentnerinnen und Rentner profitieren auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben von vielen Vorteilen und zahlreichen Serviceleistungen. „Mitglieder sind über ihren Beitrag zum Beispiel unfallversichert“, erzählt Gosch. „Oder sie können bei sozial- und arbeitsrechtlichen Problemen den DGB-Rechtsschutz in Anspruch nehmen, was viele gar nicht wissen.“
Holger Gosch lebt Gewerkschaft, auch als Rentner – und nutzt jede Gelegenheit, um auch andere davon zu überzeugen, wie wichtig Gewerkschaften auch für den letzten Lebensabschnitt sind. Das persönliche Gespräch ist das wichtigste Mittel, „um die Mitglieder bei der Stange zu halten“, sagt er. „Ob unter vier Augen beim Bierchen oder beim Austragen der IGBCE-Mitgliederzeitung Profil: Über den persönlichen Kontakt gelingt es am besten, die Kolleginnen und Kollegen von den Vorteilen einer lebenslangen Mitgliedschaft zu überzeugen. Diese Erfahrung habe ich bereits während meines Arbeitslebens gemacht.“ Wichtig ist es ihm dabei, „immer ehrlich zu sein und keine falschen Versprechungen zu machen“.
Die IGBCE hat in den vergangenen Jahrzehnten viel für uns getan und erreicht
Holger Gosch
Damit die IGBCE auch in Zukunft schlagkräftig bleibt, engagiert Holger Gosch sich dafür, junge Menschen für die Gewerkschaft zu begeistern und seine Erfahrungen als Älterer an die Jungen weiterzugeben. Deshalb ist er seit Jahrzehnten nicht nur in seiner Ortsgruppe, sondern auch als Freizeitleiter bei der Fejo aktiv. Die Fejo wurde 1958 ursprünglich als Freizeit-, Jugend und Erholungsgesellschaft für die Kinderferienbetreuung der Bergwerksgesellschaften gegründet und veranstaltet seit vielen Jahrzehnten Aktivreisen für Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende zwischen 16 und 27 Jahren. Neben viel Spaß ist ein Ziel dieser Reisen, die Jugendlichen für die Gewerkschaftsarbeit zu gewinnen. Mit Fejo-Jugendgruppen verbringt Gosch viel Zeit: vier Wochen im Winter in Österreich und vier Wochen im Sommer in Griechenland. „Es ist wichtig, den jungen Menschen zu vermitteln, warum es ihnen heute so gut geht – weil die Gewerkschaften die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in den vergangenen Jahrzehnten – teilweise in harten Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern – maßgeblich verbessern konnten“, sagt Holger Gosch und fügt erklärend hinzu: „Ich sage den Jugendlichen immer: Fragt mal euren Opa, unter welchen Bedingungen er arbeiten musste. Dann versteht ihr, warum Gewerkschaften unverzichtbar sind und ihr euch engagieren solltet.“