»Bonbons nur für Mitglieder«
Ralf Sikorski erklärt im Gespräch mit unserer Autorin Kathryn Kortmann, warum die jüngsten Tarifabschlüsse den Beschäftigten oft Sockelbeträge statt Prozente bescheren, die Laufzeiten der Tarifverträge aktuell meist länger sind und warum sie IGBCE-Mitgliedern zunehmend auch Boni bescheren.
Ralf, ihr habt jüngst sowohl in der Fläche als auch in zahlreichen Unternehmen satte Tarifabschlüsse erreicht. Anders als sonst üblich gibt es dieses Mal viel Sockeltarifpolitik, also …
… Nominalbeträge statt prozentuale Erhöhungen auf die Tabellen. Das haben wir in der Vergangenheit tatsächlich eher skeptisch betrachtet, weil es das tarifliche Gefüge durcheinanderbringt. Nach über 36 Jahren war es jetzt aber an der Zeit, mit diesem Dogma zu brechen.
Warum?
Aus gutem Grund: Die hohe Inflation, die wir seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs haben, belastet zwar alle Einkommensgruppen, aber eben nicht alle gleichermaßen. Salopp gesagt: Wer mit einem Mercedes vor die Zapfsäule fährt, kann die enormen Preissprünge für Sprit, aber auch Energie und Lebensmittel in der Regel besser wegstecken als ein Corsa-Fahrer. Deshalb war es uns wichtig, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen mit den kleineren Einkommen zu stärken, die mehr unter der Inflation leiden. Sie profitieren von nominalen – also festen – Beträgen überdurchschnittlich. Solche Abschlüsse passen also ganz gut in die Zeit, sie werden aber sicherlich nicht zum Standard unserer Tarifpolitik. In der Chemieindustrie konnten wir solche Sockelbeträge nicht durchsetzen. Das hängt damit zusammen, dass es neben den großen Chemiekonzernen, die ein großes Spektrum an Entgeltgruppen haben, auch viele kleine und mittlere Unternehmen mit hauptsächlich unteren Entgeltgruppen gibt. Für sie ist die Belastung höher, wenn sie Sockelbeträge stemmen müssen.
Auffällig ist bei den jüngsten Abschlüssen auch, dass die Laufzeiten in der Regel länger sind. Warum ist das so?
Stimmt. Statt der sonst eher üblichen 12 /13 Monate oder 17/18 Monate Laufzeit mussten wir dieses Mal bis zu 24 Monate in Kauf nehmen – und das ist kein Einzelfall, weder in der Fläche noch bei den Haustarifverträgen. Um hohe Prozentzahlen oder eben auch die Sockelbeträge durchzusetzen, mussten wir uns auf längere Laufzeiten einlassen. Das ist der Kompensation für die höhere Belastung der Unternehmen geschuldet und verschafft ihnen ein Stück mehr Planungssicherheit.
Die Inflationsausgleichsprämie habt ihr fast überall in voller Höhe ausgeschöpft, manchmal auch sehr kreativ.
Uns war es sehr wichtig, dass die Beschäftigten von den Abschlüssen möglichst sofort und dauerhaft profitieren. Aber nicht alle Unternehmen können die steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie auf einen Schlag zahlen. Insofern gibt es dazu ganz unterschiedliche Modelle, wie die ausgezahlt wird – mal als Einmalzahlung, mal in zwei Raten oder sogar wie bei Kolping über fast zwei Jahre in kleinen Stücken auf die monatliche Tabelle obendrauf. Und manchmal ist es uns sogar gelungen, einen Teil der Inflationsausgleichsprämie exklusiv als ganz besondere Bonbons für unsere Mitglieder auszuhandeln.