Interview

Oktober | November 2024

„Demokratie hört nicht am Werktor auf“

In diesem Herbst werden in den Betrieben neue Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) gewählt. Wie wichtig diese Wahlen sind, welche Erfahrung junge Menschen dabei machen und welche Ziele sich die IGBCE gesetzt hat, erklärt Alexander Bercht im Interview mit Bernd Kupilas.

Alexander Bercht ist Mitglied im geschäfts­führenden Hauptvorstand der IGBCE.

Foto: Stefan Koch

Alexander, die JAV-Wahlen stehen vor der Tür. Wie wichtig sind die?

Sehr wichtig. Für viele junge Menschen sind die anstehenden JAV-Wahlen im Betrieb wichtiger Berührungspunkt mit der Demokratie. 16- oder 17-Jährige, die jetzt in ihre Ausbildung starten, haben vielleicht vorher noch nie gewählt oder noch spannender sich wählen lassen. Das ist eine wichtige und prägende Erfahrung. Unsere betrieblichen Wahlen senden gerade an junge Menschen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, eine wichtige Botschaft: Demokratie hört nicht am Werktor auf. Die Wahrnehmung demokratischer Rechte und persönliches Engagement sind wichtige Werkzeuge, um in unserer Gesellschaft und am Arbeitsplatz, die Dinge zum Besseren zu bewegen. Gerade in Zeiten, in denen unsere Demokratie durch populistische Strömungen unter Druck gerät, ist dies eine wichtige Erfahrung.

Die IGBCE hat sich für die JAV-Wahlen ambitionierte Ziele gesetzt.

Ja, unsere wesentlichen Ziele lassen sich so zusammenfassen: Wir wollen, dass sich möglichst viele junge Menschen in möglichst vielen Betrieben an den Wahlen beteiligen. Und wir wollen sie natürlich für unsere Vorstellungen von guter Arbeit in ihrem Betrieb gewinnen und dafür, dass sie ihr Kreuz bei unseren IGBCE-Kandidatinnen und -Kandidaten machen. Eine hohe Wahlbeteiligung erhöht unsere Legitimität, ein hoher Organisationsgrad in den JAV-Gremien unsere Gestaltungsmacht als Gewerkschaft.

Die Wahlbeteiligung war vor zwei Jahren nicht so berauschend hoch.

Das stimmt. Und das wollen wir – und das muss sich auch wieder ändern. Die schwache Beteiligung damals kann man vielleicht noch mit den Auswirkungen der Pandemie erklären Lockdowns und eingeschränkte Kontaktmöglichkeiten wirkten sich auf unsere Möglichkeiten aus, Kandidierende zu finden und Wahlkampf zu betreiben. Aber Corona ist vorbei. Wir wollen den Corona-Knick hinter uns lassen und zurück zu alter Stärke finden. Wir brauchen sie, damit wir in den Betrieben die nötige Wirkung entfalten können.

Wie kann eine höhere Wahlbeteiligung gelingen?

Ich setze darauf, dass unsere Ehrenamtlichen in den Betrieben sich des Themas annehmen, sich aktiv einschalten und ihre JAVis bei der Vorbereitung der Wahl und im Wahlkampf unterstützen. Zum einen geht es darum, junge Menschen, die mit uns gemeinsam für unsere gewerkschaftlichen Werte eintreten wollen, für eine Kandidatur zu begeistern. Unsere IGBCE lebt von motivierten und engagierten Menschen. Überzeugende Menschen überzeugen Menschen. Davon leben wir. Und natürlich müssen wir dann einen aktiven Wahlkampf betreiben. Wir müssen sichtbar sein, dann können wir die jungen Beschäftigten auch erreichen. Als IGBCE unterstützen wir unsere Aktiven in den Betrieben mit vielen Materialien rund um die Wahlen über unser JAV-Portal. Dort gibt es Hilfen und Materialien, angefangen mit Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl für Wahlvorstände bis hin zu Marketing rund um die Wahl, für Wählerinnen, Wähler, Kandidierende und Interessierte.

Was werden die Themen des Wahlkampfs sein?

Ausbildung bleibt entscheidend für die Zukunft der Unternehmen und sie ist darüber hinaus ein entscheidender Faktor für unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität. Nur wenn jungen Menschen in unserer Arbeitswelt eine gute und verlässliche Perspektive geboten wird, fallen sie den Populisten nicht zum Opfer. Unsere JAVen sind die erste Kampflinie, wenn es darum geht, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Sie setzen sich vehement für mehr Ausbildungsplätze ein, und sie sorgen dafür, dass die Qualität der Ausbildung stimmt und dass die Ausgebildeten am Ende möglichst auch unbefristet übernommen werden, so wie wir das als IGBCE fordern. Als JAVis können unsere jungen Mitglieder eine wichtige Erfahrung machen: dass sie ihre Zukunft selbst mitgestalten können und in existenziellen Fragen nicht über sie hinweg regiert wird. An Themen mangelt es uns also wahrlich nicht. Und wir haben motivierte junge Menschen, die für diese Themen eintreten. Das macht mich zuversichtlich.

Du bist optimistisch, dass die IGBCE ihre Wahlziele erreicht?

Ja. Wir geben jetzt richtig Gas. Zum Wohl der jungen Menschen und ihrer Interessen.