Das Energiebündel
Noah Heidrich, Boehringer Ingelheim
Der Student lebt und gestaltet Demokratie – in seiner Heimatgemeinde, im Land Rheinland-Pfalz und im Betrieb.
An seiner Einstellung hat sich nichts geändert. „Voll Bock” habe er auf die Zeit, die vor ihm liegt, sagt Noah Heidrich. Und „voll Bock“ hatte er schon im September vergangenen Jahres auf die Zeit jetzt. So postete er es im sozialen Netzwerk Facebook, nachdem er kurz zuvor zum alleinigen Juso-Vorsitzenden im Kreis Mainz-Bingen gewählt worden war.
„Von allen Ämtern erfordert dies die meiste Zeit”, sagt der 21-Jährige. Missen möchte er keines. „Voll Bock” ist für ihn die Voraussetzung, alle Ämter mit Leben zu füllen und ein Pensum zu schaffen, das sich sonst nur wenige zutrauen. Neben dem Juso-Vorsitz ist Noah stellvertretender Vorsitzender der SPD in seinem Wohnort Nierstein, er ist Jugendvertreter in der Verbandsgemeinde Rhein-Selz und als IGBCE-Mitglied war er bis zuletzt Jugend- und Auszubildendenvertreter beim Chemiekonzern Boehringer in Ingelheim.
Sein duales Studium der Wirtschaftsinformatik kann neben all diesen vielen Verpflichtungen eigentlich nur nebenbei laufen? Weit gefehlt! Bisher hat Noah alle Hürden der akademischen Laufbahn genommen. In zwei Monaten wird er bei Boehringer seinen Fulltimejob antreten – voraussichtlich als Softwareentwickler.
Ich komme aus einem diskussionsfreudigen Haushalt.
Ich bin aber nicht parteipolitisch geprägt worden. Bis heute weiß ich nicht genau, welche Parteien der Mitte meine Eltern wählen.
Noah Heidrich
Woher er die Energie für das vielfältige bürgerliche Engagement nimmt, ist eine der wenigen Fragen, auf die er nur vage zu antworten weiß: „Ich komme aus einem diskussionsfreudigen Haushalt”, sagt er. „Ich bin aber nicht parteipolitisch geprägt worden. Bis heute weiß ich nicht genau, welche Parteien der Mitte meine Eltern wählen.”
Inhaltlich indes weiß er sehr konkret, worum sich die SPD in Mainz-Bingen zu kümmern hat. In die Landeskonferenz wird er einen Antrag einbringen: Für die Ausbildung von Grundschullehrern soll es einen alternativen Weg zum üblichen Studium geben. Denn bislang studieren die Anwärter lange, bevor sie gegen Ende des Studiums ins Referendariat kommen. Viele merken erst dann, dass ihnen die Arbeit mit Kindern nicht liegt. Noahs Vorschlag: eine Art duales Studium, bei denen Studierende bei finanzieller Absicherung schon deutlich früher und länger in den Schulalltag integriert werden. „Der Antrag wird vermutlich durchgehen. Davon gehe ich aus, aber ob sich im nächsten Schritt die Landesregierung davon überzeugen lässt, ist fraglich”, sagt er.
In Nierstein will er als Jugendvertreter der Verbandsgemeinde Rhein-Selz die Situation für junge Menschen verbessern. „Es gibt hier keine Möglichkeiten, sich zu treffen. Der Stadtpark wird abends geschlossen. Gastronomien für Jugendliche gibt es kaum. Deshalb gehen die jungen Leute in die Weinberge oder zum Bahnhof.” Die Jugendvertretung fordert vom Gemeinderat nun einen Platz für Begegnung. „Wir sind dran”, sagt Noah.
Auf betrieblicher Ebene helfen ihm seine Erfahrungen als dual Studierender. Denn ausgerechnet die Dualen der Wirtschaftsinformatik fallen hinten runter, wenn sie eigentlich in den Genuss der Vergünstigungen eines Konzerns kommen könnten. Aber beispielsweise Weihnachtsgeld gibt es für sie nicht, weil sie anders als andere duale Studierende erst zum 1. Oktober beginnen. Die dreimonatige Spanne zum Jahresende reicht nicht für einen Anspruch. „Die JAV fordert diese Leistungen dennoch”, sagt Noah und ist überzeugt: „Je stärker die dual Studierenden in der JAV verankert sind und ihr den Rücken stärken, umso mehr springt am Ende für sie raus.”
Gewerkschaft und Mitbestimmung sind gelebte Demokratie im Unternehmen.
Noah Heidrich
Auch um solche Ansprüche durchzusetzen, will er bei den nächsten Betriebsratswahlen kandidieren. Die IGBCE soll helfen. „Gewerkschaft und Mitbestimmung sind gelebte Demokratie im Unternehmen”, sagt er. Dennoch: Eine lange Karriere als freigestellter Betriebsrat hat er nicht im Blick. In den Kreistag würde er sich wohl wählen lassen, sagt er. Aber der Berufspolitiker wiederum steht nicht zur Debatte. „Diese Hoffnung ist zu vage.”
Geübt hat er trotzdem schon. Im vergangenen Jahr kokettierte er mit dem Job als Landtagsabgeordneter und ließ sich bei einem Besuchstermin im Landtag am Rednerpult in ausladender Sprecherpose fotografieren. Heute relativiert er: „Die Politik ist ein Hobby. Ich habe Wirtschaftsinformatik studiert. Das mag ich, und das will ich jetzt auch durchziehen”. Mit Sicherheit hat er darauf „voll Bock”.