Der Botschafter
Patrick Hartmann stellt sich auf eine anspruchsvolle Tarifrunde in der Chemieindustrie ein. Als Tarifbotschafter gestaltet er sie bei B. Braun in Melsungen aktiv mit.
Foto: Christian Burkert
Über einen Mangel an ehrenamtlichen Aufgaben kann sich Patrick Hartmann wahrlich nicht beklagen. Aber als sich die Möglichkeit bot, sich in der anstehenden Chemietarifrunde als betrieblicher Tarifbotschafter zu engagieren, musste er nicht lange überlegen. „Das kann ich in meinem Pensum noch unterbringen“, sagt Hartmann, „zumal dieses neue Ehrenamt ja Projektcharakter hat und damit zeitlich auf die Dauer der Tarifrunde begrenzt ist.“
Was den 43-Jährigen gereizt hat, auch dieses neue IGBCE-Ehrenamt noch zu übernehmen? Gerade „vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ist es sehr sinnvoll, in den Tarifrunden einen möglichst kurzen Draht zu den Kolleginnen und Kollegen zu haben“, sagt er und beschreibt damit im Grunde schon die wesentlichen Aufgaben eines Tarifbotschafters: mitziehen, mitgestalten, mitreden. Tarifbotschafter sollen dazu beitragen, dass die Tarifrunde in ihrem Betrieb und auf digitalen Kanälen noch sichtbarer wird, alle Kolleginnen und Kollegen kontinuierlich informiert sind und die IGBCE im Betrieb noch präsenter ist.
Konkret bedeutet das: in den Dialog mit den Beschäftigten treten, ihre Stimmung aufnehmen und an die Kampagnenleitung weitergeben, tarifpolitische Botschaften in die Belegschaft tragen und für Beteiligung und Mobilisierung der Kolleginnen und Kollegen sorgen. Dafür ist er als stellvertretender Vertrauenskörperleiter genau der richtige Mann, denn in dieser Funktion hat er seine Ohren ohnehin schon ganz nah an der Belegschaft beim Pharma- und Medizintechnikunternehmen B. Braun im hessischen Melsungen. Dort, am Stammsitz des weltweit agierenden Familienkonzerns, arbeiten rund 7300 Beschäftigte. Hartmann ist bei B. Braun als Referent des örtlichen, des europäischen und des Konzernbetriebsrats tätig.
vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ist es sehr sinnvoll, in den Tarifrunden einen möglichst kurzen Draht zu den Kolleginnen und Kollegen zu haben
Patrick Hartmann
Tarifbotschafter in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten – Patrick Hartmann ist sich sicher: „Diese Tarifrunde wird alles andere als eine vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung.“ Denn die Vorzeichen, so sagt er, „sind andere als in den vergangenen Jahren“. Die Kolleginnen und Kollegen merken, dass das Unternehmen unter einem erhöhten Kostendruck steht. Auf der anderen Seite spüren sie aber auch im eigenen Geldbeutel, dass vieles immer teurer wird. Angesichts dieser offensichtlichen Diskrepanz eine vernünftige Forderung zu entwickeln, sei die große Herausforderung in der anstehenden Chemietarifrunde. Damit das gelingt, braucht es vor allem eins: eine gute Kommunikation in die Belegschaften. „Das ist in dieser Zeit des Wandels die Hauptaufgabe von uns Gewerkschaftern“, sagt Hartmann.
Wie es um die Stimmung unter den Beschäftigten bestellt ist, wird er spätestens Anfang Dezember 2025 bei der Vertrauensleutesitzung erfahren, zu der sämtliche Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb eingeladen sind – und dort auch angehört werden.
Das sind viele: Denn der Großteil der Beschäftigten bei B. Braun ist Mitglied in der IGBCE. Nach der Sitzung werden die Vertrauensleute die Bedürfnisse und Ansprüche der Kolleginnen und Kollegen an die Hauptamtlichen in der Organisation weiterleiten. „Bei unserer Forderungsempfehlung wird es darum gehen, die verschiedenen Erwartungshaltungen auszutarieren und das Mögliche machbar zu machen“, sagt Hartmann.
Patrick Hartmann ist sich bewusst: Während der kommenden Monate wird er seine anderen Ehrenämter noch besser koordinieren müssen. Er ist beispielsweise stellvertretender Vorsitzender im IGBCE-Bezirksvorstand Kassel, Stadtverordneter in Kassel und Präsident der Kasseler Karnevalsgesellschaft „Fuldatal-Die Windbiedel“.
Gesellschaftliches Engagement prägt sein Leben. „Ich bin seit meinem 16. Lebensjahr Mitglied der SPD und an meinem ersten Arbeitstag in die Gewerkschaft eingetreten“, erzählt Hartmann. Das war seinerzeit die Eisenbahnergewerkschaft. Für die deutsche Eisenbahnreklame arbeitete er acht Jahre in der Werbeabteilung. Zuvor hatte Hartmann in seiner Heimatstadt Kassel auf Lehramt Deutsch und Sozialkunde für die gymnasiale Oberstufe studiert. Nach seiner Zeit bei der Eisenbahnreklame war er acht Jahre als Fraktionsgeschäftsführer der SPD Kassel tätig. „Braunianer“, so bezeichnen sich die Beschäftigten bei B. Braun gern selbst, ist er seit rund vier Jahren. Und ja: Eine Familie hat er auch, seine Kinder sind 12 und 21 Jahre alt.