„Kleider machen Leute“

Marion Palme hat am ersten Frauenkolleg der IGBCE teilgenommen – und dabei Selbstbewusstsein und Motivation für mehr gewerkschaftliches Engagement getankt.
Foto: IGBCE/Nicole Strasser
Marion Palme kandidiert beim 8. Ordentlichen Gewerkschaftskongress im Oktober 2025 in Hannover für ein Mandat im ehrenamtlichen Hauptvorstand der IGBCE. Dass sie sich darum bewirbt, hängt entscheidend mit dem Jahr 2014 zusammen. Vor elf Jahren nämlich nahm sie am ersten IGBCE-Frauenkolleg teil. Bei dieser mehrteiligen Bildungsveranstaltung, die im September 2025 in die zehnte Auflage gestartet ist, werden Frauen befähigt und vor allem ermutigt, sich und ihre Interessen in den männerdominierten Strukturen der IGBCE und der Betriebe ihrer Branchen besser durchzusetzen. Mit Erfolg, wie das Beispiel Marion Palme zeigt.
„Das Frauenkolleg hat mir viele Türen geöffnet und war mein Sprungbrett in die Organisation IGBCE“, sagt die 42-Jährige. „Wir haben gelernt, wie man Netzwerke knüpft und nutzt, sicher auftritt, Mitstreiterinnen gewinnt und selbstbewusst Verhandlungen führt.“
Zur Teilnahme an der Seminarreihe, die aus fünf dreitägigen Modulen besteht, hat eine hauptamtliche, für Gleichstellung zuständige IGBCE-Kollegin Marion Palme motiviert. Denn anfangs habe sie durchaus Berührungsängste gehabt, Bedenken wegen eventueller „Stutenbissigkeit“ und „Zickenterror“, so Palme. Unbegründet, wie sich schnell gezeigt hat. Die Begeisterung, Teil dieses neuen Bildungsformats zu sein, hat sie damals gleich am ersten Tag gepackt. „Wir konnten in einem geschützten Raum offen und konstruktiv miteinander arbeiten, lernen und diskutieren, selbst wenn es manchmal sehr emotional wurde“, sagt Marion Palme. Und der Spaß ist dabei auch nicht zu kurz gekommen. Noch heute erinnert sie sich zum Beispiel daran, wie die 20 Teilnehmerinnen in Stöckelschuhen und Abendkleidern selbstbewusstes Auftreten voreinander trainiert haben. „Eine Übung, die uns gelehrt hat: Kleider machen Leute“, erzählt Marion Palme, „und haben bedeutenden Einfluss für Begegnungen auf Augenhöhe.“
Den Ausschlag, mich als Betriebsrätin freistellen zu lassen, gab mir die Vorstellung, dass ich dadurch einem anderen Kollegen den Arbeitsplatz retten kann.
Marion Palme
Durch das Frauenkolleg ermutigt, arbeitete sie in den folgenden Jahren ehrenamtlich im Bezirks-, Landesbezirks- und Bundesfrauenausschuss der IGBCE mit. Bei ihrem Arbeitgeber Sanofi unterstützte sie das Projekt „Offensive Frauen“: Die Betriebsrätinnen sprachen mit den schichtarbeitenden Frauen in der Produktion darüber, wie sie deren Arbeitsbedingungen verbessern können. Palmes Credo: „Wenn wir etwas zum Positiven verändern wollen, müssen wir als Gewerkschafterinnen mit den Menschen an der Basis sprechen – nicht über sie.“
In der Gewerkschaft engagiert Marion Palme sich seit Beginn ihrer Ausbildung. Nach ihrem Abitur in Guben war sie 2002 von der Niederlausitz nach Hessen gezogen, weil sie unbedingt Chemielaborantin werden wollte. Sie fand einen Ausbildungsplatz beim Pharmakonzern Sanofi in Frankfurt am Main. Bereits wenige Wochen nach Ausbildungsbeginn wurde sie in die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) gewählt. Die anderen engagierten jungen Leute und die IGBCE wurden in diesem neuen Lebensabschnitt ihre „Ersatzfamilie“. Ihre Berufswahl erwies sich als Volltreffer. Im Anschluss an ihre Ausbildung absolvierte Palme noch ein berufsbegleitendes Bachelor-Studium im Chemieingenieurwesen.
Nachdem sie aus dem „JAVi-Alter herausgewachsen“ war, ließ sie sich 2010 erstmals in den Betriebsrat wählen. 2012 stand Marion Palme vor der Wahl, als Betriebsrätin in die Freistellung zu gehen. Eine schwierige Entscheidung: „Ich war damals in der Forschung tätig, das hat mir sehr viel Spaß gemacht“, sagt Palme. Zu der Zeit wurden bei Sanofi Arbeitsplätze abgebaut. „Den Ausschlag, mich als Betriebsrätin freistellen zu lassen, gab mir die Vorstellung, dass ich dadurch einem anderen Kollegen den Arbeitsplatz retten kann“, so Palme. Mittlerweile ist sie seit mehreren Jahren auch im Gesamtbetriebsrat und im Europäischen Betriebsrat von Sanofi aktiv.
Seit fünf Jahren hat Marion Palme ihr ehrenamtliches gewerkschaftliches Engagement ein bisschen zurückgefahren. In ihrer freien Zeit steht ihre Familie mit den Kindern im Mittelpunkt. „Ledig und los, spontan sein wie früher, das funktioniert mit kleinen Kindern nicht mehr“, sagt Marion Palme, die bei ihrem Mann für Gewerkschaftsthemen aber auf offene Ohren stößt. Schließlich ist er als politischer Sekretär ebenfalls für die IGBCE im Einsatz.