Praxis

August | September 2025

Vier gewinnt

Jens Lehfeldt (45) hat als Vorsitzender des Europäischen Betriebsrats von Fuchs Lubricants Kolleginnen und Kollegen in Spanien geholfen.

Foto: Marcus Schwetasch

Neben dem lokalen Betriebsrat können Arbeitnehmvertreterinnen und -vertreter einen Gesamtbetriebsrat, einen Konzernbetriebsrat und einen Europäischen Betriebsrat gründen. Wie das Miteinander der verschiedenen Gremien die Mitbestimmung stärkt, berichtet Andreas ­Schulte.

Jahrelang nahmen die Kollegen bei Fuchs Lubricants in Spanien ihre muffelige Arbeitskleidung mit nach Hause, um sie zu waschen. Fette, Öle und Korrosionsschutzmittel etwa steckten darin, denn diese Produkte fertigt der internationale Konzern. Ohne Schmutz geht das nicht. „Den will man aber nicht zuhause in der Wäsche haben“, sagt Jens Lehfeldt, Vorsitzender des Europäischen Betriebsrats (EBR).

Seinem Gremium ist es zu verdanken, dass es bei den spanischen Kolleginnen und Kollegen zu Hause mittlerweile frischer riechen dürfte. Denn der EBR dient dem Austausch von Arbeitnehmervertretungen aus den Ländergesellschaften eines Konzerns. In der Regel trifft er sich mindestens einmal pro Jahr zu einer ordentlichen Sitzung. Und dabei kam es auf den Tisch: Die deutschen Kollegen müssen ihre Kleidung nicht selbst reinigen. Lehfeldt weiß das gut. Niemand kennt die Arbeitsbedingungen bei Fuchs Lubricants in Deutschland besser als er. Denn Lehfeldt ist nicht nur Vorsitzender des Europäischen Betriebsrats, sondern auch Vorsitzender des Konzernbetriebsrats (KBR), des Gesamtbetriebsrats (GBR) und des Betriebsrats (BR) am Standort Mannheim. „Mit dem Wissen um die Möglichkeiten in Deutschland und mit dem Argument der Gleichbehandlung konnten die spanischen Kolleginnen und Kollegen bald durchsetzen, dass sie nun lange genug selbst gewaschen haben“, sagt er.

Der schnelle Erfolg des Fuchs-EBR mithilfe der Informationen aus Deutschland steht stellvertretend für die Verzahnung der Gremien KBR, GBR, BR und eben EBR. „Jedes einzelne dieser Gremien kann allein Erfolg haben, aber wenn die Möglichkeit besteht, sollten Beschäftigte auf allen Ebenen Betriebsratsgremien bilden und diese so gut wie möglich miteinander vernetzen“, sagt Lehfeldt.

Wissenschaftlich erwiesen

Vor allem dem GBR kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Das hat Thomas Haipeter mithilfe einer Studie herausgefunden. Er ist Professor und Leiter der Forschungsabteilung Arbeitszeit und Arbeitsorganisation am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Eine wichtige Funktion des GBR und des KBR sei die Bündelung lokaler Interessen und die Verhandlung mit der Unternehmensleitung, schreibt der Wissenschaftler. Der GBR ist so etwas wie die Spinne im Netz. Voraussetzung für diese zentrale Rolle von GBR und KBR ist, dass ein Teil der Vertretungsmacht von den lokal gewählten Interessenvertreterinnen und -vertretern an diese überbetriebliche Ebene transferiert wird, schreibt Haipeter.

Warum sollte jeder lokale Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung aushandeln, wenn der GBR dies für alle Standorte regeln kann?

Jens Lehfeldt

Entsendung in übergeordnete Gremien

Eine Ämterhäufung bei den Vorsitzenden wie bei Jens Lehfeldt ist dabei vorteilhaft. „Es geht nicht darum, Macht anzuhäufen, sondern den Informationsfluss reibungslos zu gestalten“, sagt er. Ein Geflecht an Betriebsratsgremien aufzubauen, ist leicht. Denn nur lokale Betriebsräte werden gewählt. Sie entsenden Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat. Dazu sind sie sogar gesetzlich verpflichtet, sobald zwei lokale Betriebsräte existieren. Die örtlichen Gremien bestimmen, wer sie im Gesamtbetriebsrat vertreten soll, die Delegierten treffen sich zur konstituierenden Sitzung des Gesamtbetriebsrats, wählen einen Vorsitzenden und teilen dem Arbeitgeber die Gründung des GBR mit.

Freiwillig ist hingegen die Bildung eines Konzernbetriebsrats. Auch der wird nicht gewählt, sondern durch die Entsendung aus dem Gesamtbetriebsrat gebildet. Doch es gibt Bedingungen: In mindestens zwei der Konzernunternehmen muss ein Gesamtbetriebsrat existieren, und die Gesamtbetriebsräte müssen mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Konzern vertreten. Jeder beteiligte Gesamtbetriebsrat entsendet in der Regel zwei Mitglieder in den Konzernbetriebsrat, der nach seiner konstituierenden Sitzung und der Wahl eines Vorsitzenden handlungsfähig ist. Keines der Gremien ist gegenüber einem anderen weisungsbefugt. Ob Gesamt-, Konzern-, oder lokaler Betriebsrat: „Wir handeln grundsätzlich nebeneinander“, sagt Lehfeldt.

Das Tagesgeschäft wird meist zwischen lokalen Betriebsräten und dem GBR ausgehandelt. „Hier ist der Austausch am intensivsten“, sagt Lehfeldt. Kennt der GBR die Interessen der jeweiligen Standorte, empfiehlt es sich, Interessen gebündelt durchzusetzen. „Warum sollte jeder lokale Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung aushandeln, wenn der GBR dies für alle Standorte regeln kann“, fragt Lehfeldt rhetorisch.

André van Broich (55) informiert Betriebsrats­mitglieder von Bayer mithilfe der BR-Dialoge online.

Foto: IGBCE

Gebündelte Gestaltungskraft

Ähnlich sieht es André van ­Broich. Genau wie Lehfeldt scheint er Ämter zu sammeln. Der 55-Jährige ist KBR-Vorsitzender, EBR-Vorsitzender, GBR-Mitglied und stellvertretender BR-Vorsitzender am Standort Dormagen, beim Chemiekonzern Bayer. Der Vorteil eines Gesamt- oder Konzernbetriebsrats aus seiner Sicht? „An unseren 13 Konzernstandorten mit knapp 22.000 Kolleginnen und Kollegen haben die lokalen Betriebsräte oftmals zu gleichen Themen unterschiedliche Rahmenbedingungen vereinbart. Wenn aber der Konzernbetriebsrat eine Vereinbarung mit dem Unternehmen trifft, dann gilt die für alle“, sagt van Broich. „So sorgen wir für die gesamte Belegschaft in Deutschland für Schutz und Verbesserungen und bündeln unsere Gestaltungskraft.“ Typische Themen für einen Gesamt- oder Konzernbetriebsrat seien etwa die Einführung neuer konzernweiter Software, die Gestaltung von Arbeitsbedingungen und übertariflichen Zahlungen oder aber Vereinbarungen über mobiles Arbeiten.

„Im Gesamtbetriebsrat fließen weite Teile des Know-hows der Mitbestimmung zusammen“, sagt van ­Broich. „Wichtig ist, es in die Fläche zu bringen und lokale Betriebsräte mit ins Boot zu holen.“ Bei Bayer gibt es daher einmal pro Jahr eine Betriebsrätetagung mit Teilnehmenden aus allen Gremien. „Wir nutzen das zum Erfahrungsaustausch und zur kollegialen Beratung“, sagt van Broich. Zudem haben Konzern- und Gesamtbetriebsrat ein gemeinsames Onlineformat entwickelt, das anlassbezogen über die neuesten Entwicklungen und Vereinbarungen im Unternehmen informiert. Das Interesse ist groß. 200 Betriebsratsmitglieder verfolgen diese „BR-­Dialoge“ regelmäßig.