„Egal was kommt, ich kann das!“
Foto: Sven Ehlers
Grundlagenseminare für Betriebsräte oder die FrauRaumWoche – Bianca Renner ist großer Fan gewerkschaftlicher Bildung. Wie die dreiteilige BR-Modulreihe, ein Stockkampf-Workshop und ein Schauspiel-Seminar sie bei ihrer Arbeit als Betriebsrätin unterstützen, erzählt sie im Interview mit Kathryn Kortmann.
Zur Person:
Bianca Renner (45) arbeitet seit 19 Jahren bei Abbott in Wiesbaden. Angefangen hat die Diplom-Kauffrau in der IT-Abteilung. Bevor sie 2022 als Betriebsrätin freigestellt wurde, hat sie als International Demand Planer gearbeitet. Für andere einzustehen, war schon immer „ihr Ding“, reden vor anderen auch. Seit ihrem fünften Lebensjahr ist sie über viele Jahre in der Fasnacht in die Bütt gestiegen.
Bianca, im Business-Netzwerk LinkedIn gibst du freigestellte Betriebsrätin und IGBCE als Berufsbezeichnung an. Das ist ungewöhnlich.
Aber genau das bin ich – und zwar sehr gern und sehr leidenschaftlich. Als freigestellte Betriebsrätin arbeite ich sehr eng mit meiner Gewerkschaft zusammen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das eine ohne das andere nicht geht. Und so wird auch gleich auf den ersten Blick klar, wofür ich stehe und dass hinter mir das geballte Wissen und das Netzwerk einer starken Organisation steht. Außerdem finden mich Kolleginnen und Kollegen inner- und außerhalb unseres Betriebs relativ schnell und können Kontakt zu mir aufnehmen.
Die Plattform wird von dir auch sonst stark für deine gewerkschaftlichen Aktivitäten genutzt. Warum?
Ich kann dort meine Kreativität – anders als über die vielleicht eher üblichen betrieblichen Kommunikationswege – so richtig ausleben – und erreiche meine Zielgruppe mit wichtigen Informationen ganz unmittelbar.
Du gehst auch sonst schon mal andere Wege. Bei der letzten Betriebsratswahl bist du mit einer eigenen Liste angetreten.
Ja, weil ich der Meinung war, dass ein Betriebsrat lebendiger agieren kann. Mir ist es wichtig, die Probleme meiner Kolleginnen und Kollegen aktiv zu lösen, auch wenn es dabei mal mit Vorgesetzten zu Konflikten kommt. Das habe ich nicht immer so erlebt. Deshalb habe ich nicht nur kandidiert, sondern – wie das in vielen anderen Betrieben auch üblich ist – eine Listenwahl initiiert und eine eigene Liste mit Gleichgesinnten, die sich auch nicht vor Konflikten scheuen, ins Rennen geschickt.
Was ja ganz offensichtlich auch auf Anhieb erfolgreich war.
Ja, wir haben fünf Betriebsratsmandate gewonnen, eins davon mit Freistellung. Das ging als Listenführerin an mich. Damit war mein Arbeitsalltag quasi von heute auf morgen ein anderer. Da war es schon sehr gut, dass ich von Anfang an die IGBCE im Rücken hatte. Mit den drei aufeinander aufbauenden BR-Seminaren konnte ich die Betriebsratsarbeit quasi von der Pike auf lernen. Das hat mir bei meiner Arbeit in den vergangenen drei Jahren enorm geholfen.
Inwiefern?
Mit meiner Wahl bin ich auch eine Verpflichtung eingegangen. Nämlich die, für meine Kolleginnen und Kollegen das Bestmögliche zu geben. Dazu braucht es eine gute und qualifizierte Grundlage, vor allem ganz viel rechtliches Wissen. Ohne den Rahmen zu kennen, den das Betriebsverfassungsgesetz der Mitbestimmung einräumt, ist Betriebsratsarbeit im Grunde nicht möglich. Dazu kommen jede Menge Bestimmungen aus anderen Gesetzen, zum Beispiel zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zum Arbeitsrecht oder zur Arbeitszeit, die wichtig sind, sich aber nicht nebenbei von allein lernen. Ohne die Grundlagenseminare, die das erforderliche Wissen kompakt vermitteln, ist gute und zielführende BR-Arbeit kaum möglich. Aber nicht nur Betriebsratsmitgliedern empfehle ich, Seminare zu besuchen, die die IGBCE im Angebot hat. Das ist ein bunter Strauß an Möglichkeiten, die jede und jeden Einzelnen weiterbringen.
Kannst du dafür mal ein Beispiel nennen?
Frauen sollten sich auf keinen Fall die FrauRaumWoche entgehen lassen. Ich bin da mehr oder weniger durch Zufall reingestolpert. Ich wollte unbedingt den Bildungsurlaub in Anspruch nehmen, den der Gesetzgeber uns – außer in Bayern und Sachsen – jährlich gewährt. Die Seminare, die ich eigentlich dafür vorgesehen hatte, waren voll. Einen freien Platz gab es in der FrauRaumWoche. Eine Woche nur mit Frauen wie zu meiner Schulzeit? Da war ich erst mal skeptisch. Völlig unbegründet, wie ich im Nachhinein sagen muss. Das war eine derart gute Erfahrung, die sich keine Kollegin entgehen lassen sollte.
Welche Erfahrungen hast du konkret in dieser Woche gemacht?
Die Woche hat mich verändert, vielleicht sogar geprägt. Einerseits, weil ich noch nie zuvor ein solches Wir-Gefühl erlebt habe. Andererseits, weil ich erfahren habe, welches Potenzial in jeder von uns steckt, wenn wir es nur gezielt hervorlocken – und zulassen. Ich habe zum Beispiel im Seminar „Ich trete auf – was wir vom Schauspiel lernen können“ mitgemacht und geübt, mit starker Stimme und mit Haltung vor einer Gruppe aufzutreten. Wichtig waren aber auch zwei andere Erfahrungen: Kritik nicht nur anzunehmen, sondern sie auch umzusetzen, und wie schwer es ist, mit Applaus und Lob umzugehen. In einem Workshop zum Thema „Resilienz und Stockkampf“ habe ich gespürt, welcher Flow beim Kämpfen entstehen kann. Kurzum: Ich habe viele Erfahrungen gemacht, die ich auch für meine Arbeit als Betriebsrätin gut gebrauchen kann.
Die FraumRaumWoche ist also mehr als nur eine Woche bezahlter Bildungsurlaub unter Frauen?
Definitiv. Die Woche war magisch. Sie war anstrengend und erholsam zugleich und bei alldem ungeheuer lehrreich. Sie hat mich gestärkt, mir Selbstvertrauen gegeben, in fremden Situationen zu agieren, und mir gezeigt, wie ich mich selbst motivieren kann. Ganz ehrlich, ich rufe mir diese Woche immer wieder ins Bewusstsein und denke dann: Egal, was kommt, ich kann das! So packen wir auch die Betriebsratswahlen im kommenden Jahr an.
Apropos Betriebsratswahlen. Mit welchen Zielen trittst du an?
Mein Minimalziel ist es, mehr Stimmen und mehr Mandate zu erreichen, als bei der letzten Wahl, vielleicht noch eine zweite Freistellung für unsere Liste zu bekommen. Aber am liebsten wäre mir natürlich, mit meinem Team die Mehrheit von 51 Prozent zu erzielen. Wichtig ist mir auch eine hohe Wahlbeteiligung, die dem Betriebsrat anschließend den Rücken stärkt.
Wann startet ihr in die Vorbereitungen?
Wir sind mittendrin. Im Grunde ist ja die gesamte Amtsperiode Wahlkampf. Gute Arbeit in den zurückliegenden Jahren ist die beste Wahlwerbung. Ich habe während meiner Zeit als Betriebsrätin mehr als 300 Einzelgespräche geführt, mir die Sorgen und Nöte meiner Kolleginnen und Kollegen angehört und nach guten Lösungen für sie gesucht. Aber ja, auch unsere Liste ist ganz konkret in die Vorbereitung der BR-Wahl eingestiegen. Die Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten ist in vollem Gange. Das will gut vorbereitet sein, denn wir brauchen Betriebsrätinnen und Betriebsräte mit Rückgrat, die tough sind und für die Aufgabe brennen. Das ist das Wichtigste. Das ABC der Betriebsratsarbeit und das dazu notwendige Know-how können sie sich dann in den Grundlagenseminaren für Betriebsratsarbeit der IGBCE draufsatteln.
Mehr Infos rund um die IGBCE-Bildungsangebote und das Programm findest du hier.