Dienst ist Dienst,
und Joint ist Joint
Die Teillegalisierung von Cannabis wirft auch im Betrieb Fragen auf. Was Betriebsräte jetzt beachten müssen, fasst Bernd Kupilas zusammen.
Grundgesetz
Artikel 1 garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Wenn nicht die Rechte anderer berührt sind, gehört auch Drogenkonsum dazu.
Cannabisgesetz
Das CanG regelt unter anderem, dass man bis zu drei eigene Pflanzen ziehen kann, etwa auf dem Balkon, und wie viel Gramm man besitzen darf.
Arbeitsschutzgesetz
Der Passus zur Eigenverantwortlichkeit steht in Paragraf 15 ArbSchG.
DGUV Vorschrift 1
Dieser Passus steht in Paragraf 15, Absatz 2.
DGUV Vorschrift 1
Diese Formulierung findet sich in Paragraf 7, Absatz 2.
Arbeitsschutzgesetz
Paragraf 16
Grundgesetz
Artikel 2, Absatz 2 gewährt das Recht auf körperliche Unversehrheit.
Was ändert sich?
Schon vor der Verabschiedung des neuen Cannabisgesetzes blieb der Konsum von Cannabis straffrei – nicht aber der Handel, der Anbau oder die Weitergabe. Die Straffreiheit für den Konsum ließ sich aus dem Grundgesetz ableiten. 1 Unter welchen Umständen der Besitz jetzt möglich ist oder die berauschende Pflanze zum Beispiel auf dem eigenen Balkon angebaut werden darf, regelt das neue Gesetz. 2
Drogen am Arbeitsplatz
Nur weil Cannabis jetzt teilweise legal ist, heißt das noch lange nicht, dass Beschäftigte nunmehr unter Einfluss der Droge am Arbeitsplatz erscheinen oder diese am Arbeitsplatz konsumieren können, betont Jan Grüneberg, Leiter der Abteilung Mitbestimmung der IGBCE. „Arbeitgeber können Drogen am Arbeitsplatz generell untersagen und tun dies üblicherweise auch“, betont er. Die Zeiten, in denen ein Kasten Bier in der Werkshalle oder auf der Baustelle zum guten Ton gehörten, sind ohnehin längt vorbei. Am Arbeitsplatz hat Cannabis also in der Regel nichts zu suchen, und auch unmittelbar vor der Schicht sollte der Cannabis-konsum Tabu sein, schon allein aus Gründen des Arbeitsschutzes. Sobald Beschäftigte das Werksgelände verlassen, ist Drogenkonsum dann wieder ihre persönliche Angelegenheit. Doch Vorsicht, auch hier gibt es Ausnahmen: Wenn etwa ein Beschäftigter in Arbeitskleidung mit Firmenlogo auf der Brust in der Öffentlichkeit einen Joint raucht, kann das unter Umständen durchaus den Arbeitgeber etwas angehen.
Was sagt der Arbeitschutz?
Drogen am Arbeitsplatz sind ein Thema für den Arbeitsschutz. Zentrale Norm ist hier die Vorschrift 1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Dort heißt es, dass Versicherte sich nicht durch den Konsum von Alkohol, Drogen und anderen berauschenden Mitteln in einen Zustand versetzen dürfen, „durch den sie sich oder andere gefährden können“. 3 Wobei das Arbeitsschutzgesetz den Beschäftigten generell eine hohe Eigenverantwortlichkeit zuweist. Sie sollen für ihre Sicherheit Sorge tragen und andere möglichst nicht gefährden. 4 Allerdings müssen sie dazu auch unterwiesen und vom Arbeitgeber angewiesen werden. Wie ein Arbeitgeber im Verdachtsfall zu handeln hat, steht ebenfalls in Vorschrift 1 der DGUV. Er darf Beschäftigte, „die klar erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich und andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen“. 5 Heißt konkret: Der Arbeitgeber muss ihn oder sie nach Hause schicken. In solchen offensichtlichen Fällen sind sogar die Kolleginnen und Kollegen gefordert zu handeln: Das Arbeitsschutzgesetz weist ihnen die Pflicht zu, „jede von ihnen festgestellte erhebliche Gefahr für Sicherheit und Gesundheit (…) zu melden“. 6 Muss man den bekifften Kollegen also beim Vorgesetzten melden? „Das ist schwierig“, sagt Jurist Grüneberg, „weil nicht in jedem Fall ein Unfall mit erheblichen Konsequenzen für die Gesundheit droht und gerade bei Cannabis nicht geklärt ist, welche Symptome ein Cannabiskonsum verursacht. Wie soll daraus eine Verpflichtung konstruiert werden?“ Grüneberg plädiert in solchen Fällen für Fingerspitzengefühl.
Betriebsvereinbarung aktualisieren
Betriebsräte sollten das neue Gesetz zum Anlass nehmen, ihre Betriebsvereinbarung zu Suchtgefahren am Arbeitsplatz zu aktualisieren. Wo schon eine gute Betriebsvereinbarung besteht, sollte man diese zumindest redaktionell überarbeiten und die neu hinzugekommene Droge Cannabis ausdrücklich erwähnen. „Cannabis sollte analog zum Suchtstoff Alkohol behandelt werden“, sagt Jan Grüneberg. Auch in Gefährdungsbeurteilungen sollte Cannabis fortan berücksichtigt werden.
Wo es noch keine oder nur eine unzureichende Betriebsvereinbarung gibt, sollten Betriebsräte jetzt die Chance nutzen und die Gesetzesänderung zum Anlass nehmen, eine gute Vereinbarung mit dem Arbeitgeber abzuschließen. Dabei sollten Betriebsräte darauf achten, dass Prävention im Vordergrund steht – und nicht die Bekämpfung von Süchtigen oder Suchtgefährdeten. „Manche Unternehmen wollen einfach nur eine Firewall um den Betrieb bauen – Suchtmittel sollen draußen bleiben, Konsumenten bestraft werden“, erklärt Experte Grüneberg. „Der Ansatz von Betriebsräten sollte ein anderer sein.“ So sollte in der Betriebsvereinbarung festgeschrieben werden, dass der Arbeitgeber Angebote zur Aufklärung und Prävention macht. Denkbar sind zum Beispiel Beratungsangebote mit Betriebsärzten oder Krankenkassenexpertinnen. Suchtmittelgefährdete sollten außerdem Unterstützung erfahren. Wie die aussieht, kann in Betriebsvereinbarungen klar umrissen werden: Erstansprache, Stufenplan zur Entwöhnung und so weiter. Generell gilt: Eine Betriebsvereinbarung sollte so formuliert sein, dass Vorgesetzte handlungsfähig gemacht werden. Es sollte klar festgelegt sein, wie sie in welchen Fällen zu handeln haben, und auch die Beschäftigten sollten Klarheit über das von ihnen erwartete Verhalten haben.
Vorsicht bei Tests
Auf keinen Fall sollten sich Betriebsräte darauf einlassen, dass Beschäftigte im Betrieb regelmäßig auf Drogenkonsum getestet werden. „Solche Screenings sind ohnehin nur in engen Grenzen erlaubt“, erläutert Jan Grüneberg. „Ein Test ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und darf deshalb nur auf freiwilliger Basis erfolgen“, so Grüneberg. 7 Außerdem muss der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse haben, und dieses Interesse muss mit den Persönlichkeitsrechten des Arbeitnehmers sehr genau abgewogen werden.
Auch auf die Festlegung von Grenzwerten sollten sich Betriebsräte nicht einlassen. Gerade bei Cannabis sind Grenzwerte problematisch, weil der Abbauprozess im Körper von Mensch zu Mensch höchst unterschiedlich vor sich gehen kann und mögliche Grenzwerte derzeit noch wenig aussagefähig sind. „Außerdem wäre die Festlegung eines Grenzwerts ein Cannabisverbot durch die Hintertür“, sagt Jan Grüneberg. Es gebe einfach noch keine Erfahrungen, wie lange und in welcher Form Cannabis nachwirkt. „Es kann durchaus sein, dass noch Reste von Cannabis längere Zeit nach dem Konsum im Blut nachweisbar sind, aber die betreffenden Beschäftigten durchaus in der Lage sind, ihre Aufgaben zuverlässig und gefahrlos zu erledigen“, so Grüneberg. Auch arbeitsrechtliche Konsequenzen sollten generell nicht in Betriebsvereinbarungen festgelegt werden.
Du hast Fragen?
Die IGBCE bietet eine digitale Sprechstunde rund um das Thema Cannabis und Co – Suchtmittel am Arbeitsplatz an. Sie findet am 4. September von 10 bis 11 Uhr statt. Lisa Sadlowski aus der Abteilung Mitbestimmung der IGBCE, und Peter Voigt, Abteilungsleiter Justiziariat/Rechtspolitik/Rechtsschutz der IGBCE beantworten Fragen zum Thema und geben Hinweise darauf, wie im Streitfall der DGB-Rechtsschutz Funktionäre und Mitglieder auch in Gerichtsverfahren unterstützen kann.
Bitte melde dich bis spätestens 30. August 2024 per E-Mail an sprechstunde@igbce.de an. Wenn du schon konkrete Fragen hast, kannst du diese gleich mitsenden. Den Besprechungslink erhältst du nach deiner Anmeldung.